In Deutschland wurde eine Newropeans-Liste für die Europawahl aufgestellt. Um die erste gesamteuropäische Partei – Vorsitzender: Franck Biancheri – auf dem Wahlschein zu platzieren und damit eine erste gesamteuropäische Alternative zu bieten, werden in den nächsten Wochen 4.000 Unterstützer-Unterschriften gesammelt.
Newropeans, die erste gesamteuropäische politische Bürgerbewegung kämpft für die Demokratisierung der Europäischen Union und für ein Europa, das der Stimme der europäischen Bürgerinnen und Bürger Gehör schafft in der Welt. An der kommenden Wahl zum Europäischen Parlament im Juni 2009 will Newropeans mit Kandidaten in zehn Ländern teilnehmen. Aus Anlass der Newropeans-Vollversammlung am 29. November 2008 in Frankfurt am Main wurden die Listen der Kandidaten für Deutschland und Italien aufgestellt. Für Deutschland umfassen diese: Margit Reiser-Schober (65824 Schwalbach am Taunus), Harald Greib (69168 Wiesloch), Detlef Winkler (01129 Dresden), Christel Hahn (78250 Tengen), Ralf Pichler (20259 Hamburg), Eva Krumm (79689 Maulburg), Jan Papsch (76833 Böchingen) und Krzysztof Kolanowsky (15230 Frankfurt (Oder).
Newropeans steht für den Aufbruch der Bürgerinnen und Bürger nach Europa und für eine demokratische Kontrolle der europäischen Ebene der Politik – Voraussetzungen für Handlungsfähigkeit und nachhaltigen Bestand der EU.
27 verschiedene Wahlverfahren und bisher keine europäische Partei
Wären Bundestagswahlen in Deutschland (um ein Beispiel zu nennen) so organisiert wie die Wahl zum Europäischen Parlament, so würden sie nach 16 unterschiedlichen Wahlgesetzen und Verfahren gewählt. Und in jedem der 16 Bundesländer gäbe es unterschiedliche, ausschließlich auf Landesebene tätige Parteien, deren Wahlprogramme sich nur an das jeweilige Bundesland richteten, nicht jedoch an den gemeinsamen Bundesstaat. Ausgesprochen oder unausgesprochen ginge es oftmals hauptsächlich darum, die eigenen Interessen (gern auch auf Kosten der übrigen 15) möglichst wirkungsvoll zu vertreten. Einen gemeinsamen öffentlichen Diskurs, eine gemeinsame politische Bühne und damit nachhaltigen Druck zum gemeinsamen Handeln auf Bundesebene gäbe es nicht, und kaum einer der bewährten politischen Landes-Akteure verspürte den Wunsch, an dieser Lage etwas zu ändern. Warum auch – schließlich schafft ihm die vom Arm des Bürgers kaum erreichte, intransparente politische Grauzone einen Spielraum, der genutzt werden kann, ohne Rechenschaft darüber abzulegen.
Sinkende Wahlbeteiligung und Ablehnung des EU-Vertrags
Genau so wird seit 1979 das Europäische Parlament gewählt. Keine der nationalen politischen Parteien hat es bisher für nötig gehalten, ein mehr als nur bruchstückhaftes europäisches Wahlprogramm zu verfassen oder sich gar europaweit aufzustellen. „Keine nationale Partei käme auch nur auf die Idee, europaweite Volksabstimmungen über Vertragsänderungen oder Erweiterungen zu fordern oder auch nur die europaweite Wahl des Europäischen Parlaments. Sogar bei Problemen, die europäisch geeint besser zu meistern wären, wie die aktuelle Wirtschafts- und Finanzkrise, flüchtet man sich in nationale Lösungen“ sagt Harald Greib, Mitglied des Vorstands von Newropeans. Kein Wunder, dass sich die Wahlbeteiligung europaweit um fast 20 Prozentpunkte verringerte, von durchschnittlich 63 Prozent im Jahr 1979 bis auf 45,7 Prozent bei der letzen Europawahl im Jahr 2004. Das einzige Volk, das zum neuen „EU-Vertrag“ per Referendum befragt wurde, die Iren, haben ihn abgelehnt, obgleich ihnen die Mitgliedschaft ihres Landes in der EU rein ökonomisch betrachtet sehr viele Vorteile gebracht hat. – Das müsste doch sehr zu denken geben.
Die Europäisierung nationaler Politik schreitet voran
Dabei bleibt kaum ein nationales Politikfeld von europäischer Politik unberührt, Stichworte sind Binnenmarkt und Euro ebenso wie „Maastricht“ oder „Schengen“. Besonders offenbar wird dies beim Ziel der Errichtung eines europäischen Binnenmarkts. „Durch eine Politik der Marktöffnung und des freien Wettbewerbs erschließen sich die europäischen Institutionen ständig neue Kompetenzfelder, werden von ihrer Regelungskompetenz her so mächtig wie der nationale Staat, verwehren dabei aber dem Bürger das Recht auf demokratische Kontrolle – ganz so, als ob die EU noch das kleine, utopische Wirtschaftsprojekt ihrer Anfangsjahre wäre“, sagt Greib.
Die aktuelle Wirtschafts- und Finanzkrise macht nun abermals deutlich, dass in Europa „das Streben nach Gestaltung jenseits der Deregulierung“, so der Politologe Manfred G. Schmidt, dagegen weit hinter Erwartungen und Problembestand zurückgeblieben ist. Wie sollte dies auch möglich sein: Es gibt keine europäischen Parteien und eine europäische Öffentlichkeit ist bisher gar nicht oder nur in Ansätzen vorhanden und beide sind Voraussetzung, um im Interesse der europäischen Bürgerinnen und Bürger jenen politischen Druck zu erzeugen, der letztlich zu mehr Handlungsfähigkeit und politischer Gestaltungskraft führt. So verlangen Binnenmarkt und gemeinsame Währung logischerweise nach einer Ergänzung durch eine integrierte Fiskalpolitik um konjunkturellen Schwankungen auszugleichen. Und EU-Integration bedeutet ebenso, für Unternehmenssteuern und Löhne europaweite Mindeststandards einzuführen, um einen ruinösen Ansiedlungswettbewerb zu vermeiden.
Newropeans will einen Wettbewerb der Ideen in Europa
Newropeans hat sich zum Ziel gesetzt, die Europäische Union mit den Bürgerinnen und Bürgern demokratisch neu zu gründen. Dazu liegen 16 Vorschläge vor, die ebenso in die europäische politische Arena eingebracht werden sollen wie die zwölf Programmpunkte, die die Mitglieder im Intranet oder bei Vollversammlungen diskutiert und per E-Abstimmung beschlossen haben. Künftig sollen beispielsweise die wichtigen politischen Weichenstellungen der EU wie Verträge oder Erweiterungen durch gesamteuropäische Volksabstimmungen und damit durch die Bürgerinnen und Bürger selbst entschieden werden. Newropeans setzt sich nachdrücklich dafür ein, dass das Europäische Parlament künftig selbst Gesetzesentwürfe einbringen kann, was bisher der Kommission vorbehalten bleibt, und dass ein Teil der Abgeordneten auf transeuropäischen Listen gewählt wird. Es will außerdem die lebenslange juristische Immunität der Bürokraten der Kommission beseitigen. Das Programm bietet für viele Sachgebiete neue Sichtweisen und frische Ideen: Ob Internationale Politik oder Strategische Partnerschaften, ob Bildungspolitik in der EU, die Evaluierung von EU-Programmen oder Newropeans Positionen zu wirtschaftlichen und sozialen Fragen – mit seinen Ideen will Newropeans einen bisher nicht vorhandenen Wettbewerb der Ideen in Europa zünden und befeuern.
Margit Reiser-Schober Koordinatorin der Newropeans in Deuschland